Reisebericht: Berlin

Anfang August machte ich Urlaub in Berlin. Ich ließ dabei keine Gelegenheit aus, die dortigen öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen; das ermöglichte mir, diesen Bericht zu verfassen.

Das Berliner Verkehrsnetz ist mit Wien nicht ohne Weiteres vergleichbar: Berlin hat eine viel größere Fläche als Wien - man kann eine Stunde mit der S-Bahn in eine Richtung fahren und befindet sich noch immer im dicht verbauten Gebiet - und bedingt durch die unrühmlichen Kapitel in der Stadtgeschichte zwischen 1961 und 1989 auch entsprechend andere Voraussetzungen in Sachen Nahverkehr.

Die deutsche Hauptstadt verfügt über U-Bahn, S-Bahn, Bus und Straßenbahn. Letztere existiert allerdings vorläufig nur im (ehemaligen) Ostteil der Stadt, da der "fortschrittliche" Westen damals danach trachtete, (wie fast überall) die Straßenbahn durch Autobusse zu ersetzen. Heute sieht man (wenigstens hier) ein, dass das ein Riesenfehler war und baut im Westteil der Stadt das Straßenbahnnetz wieder auf.

Bedingt durch die Ausrottung der Tram im Westen stammt der Wagenpark natürlich aus dem Hause Tatra - es fahren also nur Rumpelkisten durch Berlin... das könnte man glauben, es stimmt aber nicht! Denn man hat nach der Wiedervereinigung ziemlich bald mit der Modernisierung der Wagen begonnen, sodass jetzt nur mehr modernisierte Tatra-Wagen oder Niederflurwagen von Adtranz unterwegs sind.

Den Tatra-Wagen ist ihre Herkunft nur am etwas klobigen Äußeren anzumerken. Alles Übrige wie Fahrverhalten, Innenraum, Türbedienung, Fahrgastservice usw. verleiht diesen Umbauwagen durchaus den Komfort eines Hochflur-Neubauwagens unserer Tage.

Die Matrixanzeigen sind lesbar und enthalten alle notwendigen Informationen. Im Wageninneren befindet sich ein einzeiliges Display zur Darstellung des Ziels bzw. der nächsten Haltestelle. Sinnvollerweise wird dem Fahrtziel die Liniennummer vorangestellt, damit nicht ortskundige Fahrgäste unterscheiden können, was was ist. Daneben befindet sich eine "Wagen hält"-Anzeige, die durch Drücken einer der grün-gelben STOP-Tasten aktiviert wird. Wenn man eine STOP-Taste erwischt, die sich direkt bei einer Tür befindet, dann öffnet sich diese bei der Haltestelle automatisch - ohne nochmaliges Drücken. Dies scheint den Berlinern aber nicht bewusst zu sein, es steht ja auch nirgends angeschrieben.

Die Linienläufe weisen eine Besonderheit auf: Die jeweils aktuelle (nächste) Haltestelle wird durch einen roten Leuchtpunkt angezeigt. Langes Suchen und verzweifeltes Ausschau-Halten nach Straßenschildern ("Wo samma denn überhaupt?") erübrigt sich also. Die Fahrgastinformation ist RBL-gesteuert und daher nicht der Gefahr ausgesetzt, vom Fahrer vergessen zu werden.

Die Niederflurwagen sind von der Innenausstattung her grundsätzlich auf demselben Standard angesiedelt. Hier gibt es nicht einmal Probleme mit den Türtasten Marke ULF. Was in Wien nicht gelang, nämlich mittels Symbol oder Aufschrift den Zweck dieser Einrichtung zu verdeutlichen, ist in Berlin scheinbar kein Problem gewesen. Daher greift man auch nicht auf das blanke Metall (wie im ULF), was vor allem im Winter um einiges angenehmer sein dürfte.

Wenn man jedoch unbedingt mit nicht modernisiertem Wagenmaterial unterwegs sein möchte, bieten sich drei Straßenbahnbetriebe am Rande Berlins an: Die Woltersdorfer Straßenbahn (als Linie 87 bezeichnet) verkehrt zwischen dem S3-Bahnhof Rahnsdorf und der Woltersdorfer Schleuse. Im Einsatz stehen normalerweise zweiachsige Gotha-Triebwagen (Type T57), bei Ausflugswetter verkehren auch Beiwagen (B57). Die Strecke verläuft eingleisig mit Ausweichen und ist signaltechnisch ungesichert; man fährt nach festen Kreuzungen. An den Endpunkten muss bei Verwendung von Beiwagen umgekuppelt werden, was dank der Scharfenbergkupplung keine aufwendige Sache ist. Leider ist der Zustand der Gleisanlagen mehr als schlecht, sodass stellenweise nur im Schritttempo gefahren wird.

Eine S-Bahn-Station näher bei Berlin (S3 Friedrichshagen) ist die Anfangstation der Linie 88, der Schöneiche-Rüdersdorfer Straßenbahn. Sie ist zu zwei Dritteln ebenfalls eingleisig mit Ausweichen, jedoch in Meterspur. Eingesetzt werden modernisierte und in älterem Zustand befindliche sechsachsige Tatra-Gelenkwagen. Im Besitz dieses Betriebes befinden sich auch jede Menge Gotha-Zweiachs-Züge, die zu Sonderfahrten eingesetzt werden. Die Strecke der Linie 88 ist signaltechnisch gesichert.

Ebenfalls mit Tatra-Sechsachsern fährt die Linie 89, die Strausberger Eisenbahn, wie die offizielle Bezeichnung dieses Straßenbahnbetriebes lautet (es existieren Anschlüsse an die Gleisanlagen der Deutschen Bahn). Die Strecke ist durchgehend eingleisig mit Ausweichen, die Anfangsstation befindet sich beim S5-Bahnhof Strausberg.

Hat man die drei Betriebe besichtigt und Fotos gemacht, was sich an einem Tag locker ausgeht, fährt man natürlich mit der S-Bahn nach Berlin zurück. Dabei kann man verschiedenen Bauarten von S-Bahn-Wagen begegnen. Die derzeit ältesten im Einsatz befindlichen Züge sind Baujahr 1927-1932 (modernisiert). Sie rumpeln und scheppern wie Oldtimer - naja, vom Alter her sind sie ohnehin schon welche. Diese Züge sorgten immer wieder für Schlagzeilen, wenn es hieß, dass Hooligans oder ähnliche Personen Fahrgäste aus dem fahrenden Zug warfen. Denn die Türen sind während der Fahrt nicht verriegelt, sondern stehen lediglich unter Druck, sodass man sie ohne große Kraftanstrengung 30 cm oder weiter öffnen kann. Der Fahrer bemerkt dies mangels Türkontrollanzeige nicht!

In den modernen Baureihen gibt es normal gesicherte Türen, die mittels Druckknöpfen oder Sensortasten zu öffnen sind. Außerdem ist bei den neuesten Wagen die Rückwand des Fahrerstands durchsichtig, was die subjektive Sicherheit auf einen Schlag erhöht. Der Vandalismus ist bei der S-Bahn ein großes Problem: Ich konnte kein einziges (!!!) nicht zerkratztes Fenster ausmachen - kratzfeste Scheiben wie bei der Wiener U-Bahn gibt es nicht. Auch die Sitze bedürfen einer speziellen, vandalismusresistenten Ausführung. Das Design ist in den Farben blau, rot, weiß, grau und schwarz gehalten; eine kluge Überlegung, da hierdurch beschmierte Sitze nicht sonderlich auffallen, was den Anreiz zur "Verzierung" sicher mindert.

In den neueren S-Bahnen ist das Fahrgastservice exzellent. Eine grüne Laufschrift (!) gibt Linie, Ziel und die nächsten drei Haltebahnhöfe an. Wenn die Ansage ertönt, erscheint der nächste Bahnhof auf dem Display. Wenn der Zug angehalten hat, erscheint noch ein Pfeil in Richtung der Ausstiegseite, dazu meldet sich die Ansagestimme und verkündet - je nachdem - "Ausstieg links" oder "Ausstieg rechts".

Die Abfertigung der S-Bahn-Züge erfolgt durch das Stationsaufsichtspersonal. An unbesetzten Bahnhöfen wird diese Aufgabe vom Personal des nächsten Bahnhofes oder vom Vorverkaufspersonal übernommen. Da die Abfertiger stets dieselben Sätze sagen müssen, z. B. "S7 nach Ahrensfelde einsteigen bitte, ..., nach Ahrensfelde zurückbleiben bitte!", entsteht ähnlich unverständlicher Kauderwelsch wie beim Wiener U-Bahn-"Zug fährt ab". Dem Fahrpersonal wird über Funk und/oder Lichtsignale mitgeteilt, wann die Türen geschlossen werden können bzw. wann abgefahren werden kann. In der Spitzenzeit fahren die Züge auf der Stammstrecke zwischen Westkreuz und Ostkreuz alle 3-4 Minuten.

Auch die U-Bahn verkehrt werktags recht häufig. Am Wochenende kann es jedoch durchaus passieren, dass man 10 Minuten auf den nächsten Zug warten muss. Das gibt einem aber immerhin die Möglichkeit, sich einige Stationen genauer anzuschauen, denn jeder U-Bahnhof ist anders ausgestaltet. Besonders hervorzuheben ist die Station Klosterstraße (U2), wo sich an den Wänden gemalte Bilder von U-, S-, Straßenbahnen und Autobussen befinden. Nicht zu übersehen ist der Herkunftshinweis auf den Bildtafeln: Sie stammen aus einem "volkseigenen Betrieb".

Auch bei der U-Bahn erfolgt die Abfertigung auf manchen Linien durch die Stationsaufsicht, die sich immer direkt am Bahnsteig befindet. Die meisten Linien sind bereits mit ZSA (Zugfahrer-Selbst-Abfertigung) ausgestattet, was nichts anderes bedeutet, als dass der Fahrer über Monitore und Spiegel den Bahnsteig sehen und die Abfertigung somit selbst vornehmen kann.

Während bei der S-Bahn die Zugzieldarstellung am Bahnsteig mit Fallblattanzeigen erfolgt, bedient sich die U-Bahn eines etwas antiquierten Systems: Am Bahnsteig hängen große Tafeln, die in kleine Leuchtsegmente (bis zu 12) unterteilt sind. Jedes Segment besteht aus einer beschrifteten Glasplatte und einer dahinter befindlichen Lichtquelle. Falls einmal ein Ziel angefahren werden muss, das auf diesen Anzeigetafeln nicht vorhanden ist, kann man immer noch das Segment "Ansagen beachten" einschalten.