Reisebericht: Nordeuropa

Da ich letzten Sommer das einmalige Vergnügen hatte, 5 Wochen lang Nordeuropa zu bereisen, ließ ich es mir nicht nehmen, mich auch mit dem ÖPNV zu beschäftigen. Da diese Reise jedoch nicht ausschließlich der Untersuchung der Verkehrssysteme galt, kann ich nicht allzuviel ins Detail gehen und möchte es bei einer kurzen Beschreibung meiner Eindrücke belassen, die im folgenden geschildert sind.

Meine erste Station war Hannover. Das System der Stadtbahn, die in der Innenstadt unterirdisch und in den Vororten auf eigenem Gleiskörper verkehrt, hinterließ einen durchwegs positiven Eindruck auf mich. Einzig die mitten im Straßenraum stehenden Bahnsteige, welche auf Grund des Systems doch etwas höher ausgefallen sind, stören ein wenig. Die Intervalle sind nicht allzu dicht, aber meines Erachtens nach doch vertretbar. Um das Verkaufen der Fahrscheine muss sich der Fahrer selbst kümmern und so passierte es nicht einmal, dass er eine Grünphase versäumte. Ich konnte nicht den Eindruck gewinnen, dass die Stadtbahn wirklich angenommen wurde, fuhren doch die Züge halb leer während es sich auf den Straßen staute. Weiter ging es in Hamburg. Das viel urbanere Gefühl der Stadt im Vergleich zu Hannover schlägt sich auch im ÖPNV nieder. In Hamburg gibt es ein sehr gut ausgebautes U-Bahn-Netz, welches durch ein gutes S-Bahn-Netz ergänzt wird. Beide Netze verkehren in der Stadt größtenteils unterirdisch oder auf historischen Hochstrecken. Das System erwies sich für mich als sehr gut, konnte ich doch innerhalb kurzer Zeit alle für mich wesentlichen Punkte in Hamburg damit erreichen. Lediglich das ziemlich schmutzige Ambiente trübt das Fahrvergnügen, doch auch dies gehört irgendwie zum Flair von Hamburg.

Nächstes Ziel meiner Reise war Kopenhagen. Das erste was hier auffiel, waren die vielen Radfahrer, die in nahezu jeder Straße auf seperaten Radstreifen verkehren. Der Grund für diese Radfahrerflut kann auch im ÖPNV-System gesucht werden: Es gibt nur Autobusse, die die gesamte Stadt erschließen. Ein U-Bahn Netz ist erst in Bau (mit österreichischer Beteiligung) und ein Straßenbahnnetz gibt es nicht. Lediglich ein eher großmaschiges Schnellbahnnetz überzieht die Stadt. Die Schnellbahn ist aber auf Grund der großen Haltestellenabstände wirklich nur für weitere Strecken sinnvoll. In der Stadt gibt es wie schon erwähnt unzählige Buslinien, die für mich als Touristen mehr als verwirrend waren und ich nicht einmal im falschen Bus gesessen bin. Als Verbindung zwischen dem Stadtzentrum und peripheren Zentren verkehren auch Schnellbuslinien. Positiv vielen vor allem die höflichen und eines fließenden Englischs mächtigen Schalterbeamten der dänischen Staatsbahnen auf, die jede Frage geduldig beantworteten. Von so etwas würde man bei uns wohl nur träumen.

Nach Übersetzen des Öresunds war Schweden an der Reihe. Meine erste Konfrontation mit einem Nahverkehrsystem hatte ich in Norrköping. In dieser Kleinstadt begegneten mir Düwag-Wagen, die mich sofort wieder an meine Heimat denken ließen. In Stockholm tat sich dann aber schon wesentlich mehr. Hier wurde ich mit einem U-Bahn Netz konfrontiert, das sich bis an die Stadtgrenzen erstreckt, jedoch in der Innenstadt nicht sehr dicht ist, da sich viele Linien eine Stammstrecke teilen und sich erst weiter draußen aufteilen. Die U-Bahn-Bereiche sind sehr sauber und ordentlich – ein Faktum, das in ganz Skandinavien gilt – und teilweise sogar künstlerisch sehr attraktiv ausgestaltet. Die Buslinien reizten mich wenig und so wanderte ich vornehmlich durch die Stadt. Die meines Wissens nach letzte Straßenbahnlinie Stockholms, die 7, verkehrt mit alten Wagen aus den 20er Jahren im Schaffnerbetrieb. Sie ist wohl mehr Nostalgie als wirkliches Verkehrsmittel.

Innerhalb Schwedens wird meistens geflogen, da die Distanzen doch enorm sind und es auch kaum andere Verkehrsverbindungen gibt. So quert die sogenannt "Inlandsbana" Schweden von Mittelschweden nach Norden im Landesinneren und stellt für weite Teile das einzige Verkehrsmittel dar. Da sie eingleisig und nicht elektrifiziert ist, braucht sie 2 Tage um ihre gesamte Strecke zu überwinden. Sie wird mit Schienenbussen betrieben und wird trotz ihrer einmaligen Stellung fast nur von Touristen o der Pendlern benutzt. Überland wird auf kurzen Strecken entweder der eigene Volvo oder eine der selten verkehrenden Buslinien genommen. Nur noch eine abgeschnittene Front im Museum konnte ich von der Straßenbahn in Kiruna machen. Sie brachte früher die Arbeiter von den Wohnquartieren in das Bergwerk, wurde aber vor einigen Jahren eingestellt.

Nachdem ich Schweden von Süd nach Nord durchquert hatte, fuhr ich in Norwegen wieder gen Süden. Norwegen ist durch seine Geomorphologie sehr beeinträchtigt, besteht die Landesfläche doch zu einem Großteil aus Wasser und hohen Bergen. So gibt es vor allem im Norden nur recht wenige Eisenbahlinien und selbst wer mit dem Auto unterwegs ist, ist gezwungen, hie und da einmal eine Fähre zu nehmen.

In den Städten Trondheim und Bergen gibt es lediglich Autobussysteme, doch in Oslo wird die Sache schon interessanter. Hier gibt es sowohl eine U-Bahn als auch eine Straßenbahn (genannt "Oslotrikken"). Die U-Bahn ist insoferne bemerkenswert, da sie auf manchen Strecken in der Stadt unterirdisch mit Stromschiene und am Stadtrand oberirdisch mit Oberleitung verkehrt. So fährt die Linie 1 von der Innenstadt (Meeresniveau) bis hinauf auf den für seine Schisprungschanze berühmten Holmenkollen auf etwa 350m ü.d.M.. Für diese sehr kurvige und daher auch langsame Fahrt muss man für eine Richtung schon 30 Minuten kalkulieren. Das Wagenmaterial ist hier sehr unterschiedlich und es sind die verschiedensten Generationen anzutreffen. Ähnlich wie in Stockholm werden auch hier Strecken und Stationen von mehreren Linien benutzt. Die jeweils folgende U-Bahn kann mit Linie und Ziel sowie der Ankunftsdauer in Minuten an Monitoren am Bahnsteig abgelesen werden. Das erste was an dem weitverzweigten Straßenbahnnetz auffällt, ist der schlechte Zustand der Gleiskörper. Solche im Asphalt verwindenden, total abgefahrenen Schienen konnte ich bislang nur in Sofia bestaunen. Das Wagenmaterial besteht zu einem Teil aus alten 4-Achsern, die größtenteils in Doppeltraktion unterwegs sind, zum anderen aus Alstom-Garnituren. Lediglich einmal konnte ich im Vorbeifahren eine neue Niederflurgarnitur sehen. Fahrscheine kann man im Wagen beim Fahrer erwerben, sie sind jedoch wie alles in Norwegen sehr teuer. Bemerkenswert erscheinen mir die sogenannten "Natttrikken", dies sind Straßenbahnlinien, die mit gedehntem Intervall auf den wichtigsten Routen auch in der Nacht verkehren.

In Göteborg, welches nicht zu Unrecht als die Stadt der Straßenbahnen in Skandinavien bezeichnet wird gibt es keine U-Bahn, dafür aber ein dichtes Netz an Straßenbahnlinien. Sie haben allesamt eine Station gemeinsam, nämlich "Brunnsparken", den zentralen Umsteigeknoten mitten in der Stadt. Das Wagenmaterial ist dem Osloer sehr ähnlich, auch die blaue Farbgebung läßt an die nicht weit entfernte Hauptstadt Norwegens erinnern. Fahrscheine sind beim Fahrer erhältlich und die Auslastung kann nur als "zum Bersten voll" bezeichnet werden.

Letzte Station auf meiner Reise war Malmö. In der südlichen Metropole Schwedens, welche in Bälde durch die neue "Öresundsbrön" mit Kopenhagen auf dem Landweg verbunden sein wird, gibt es nur ein Autobussystem. Lediglich die Straßenbahnstrecke 3 wird noch von einem Museumsverein betrieben. Diese rein touristische und nostalgische Linie wird mit historischen Wagen betrieben und fährt nur stündlich.

Mit freundlicher Genehmigung vom Markus Schreilechner, der diese Reise absolviert hat.

Zu Hannover erhielten wir folgenden Kommentar von Till Karbe:

Der Besuch in Hannover war zur denkbar schlechtesten Zeit! Kurz vor der EXPO war viel improvisiert und es wurde viel gebaut. Auch waren die Grünphasen an vielen Übergängen noch nicht angepasst. Seit Herbst 1999 verkaufen die Fahrer keine Fahrscheine mehr! Das System wurde vor der EXPO umgestellt, an jeder Haltestelle steht nun ein digitaler Fahrkartenautomat für Kartenzahlung oder Barzahlung!

Ich konnte nicht den Eindruck gewinnen, dass die Stadtbahn wirklich angenommen wurde, fuhren doch die Züge halb leer, während es sich auf den Straßen staute:

Das kann nicht ganz stimmen, jeden Tag benutzen ca. 330.000 Personen die Stadtbahn, alleine an der U Station Kröpcke steigen über 100.000 davon um! Mit 154,9 Millionen Fahrgästen im Jahr hat Hannover eine Spitzenposition im Nahverkehr im Vergleich mit gleich großen Städten! (Quelle: Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe).

Mittlerweile fahren auf einigen Linien sogar zeitweise 75-Meter-Langzüge, um die Massen zu transportieren, und trotzdem gibt es selten noch freie Sitzplätze. Höhere Taktraten sind leider nicht ohne Weiteres möglich, da die Linien in den Tunneln gebündelt werden. Schon heute sind einige der Tunnel nahe der Kapazitätsgrenze (siehe C-Linien). Während der "Ce-Bit"-Computermesse fahren 100 Meter lange Stadtbahnen Richtung Messegelände im 3-Minutentakt!

Einzig die mitten im Straßenraum stehenden Bahnsteige, welche auf Grund des Systems doch etwas höher ausgefallen sind, stören ein wenig:

Genau das sehen die Hannoveraner, aber auch viele Besucher, anders, laut Umfrage 2001 finden 92% die Hochbahnsteige sehr gut und wollten mehr davon. Auch fühlen sich die Leute sicherer in einer gewissen Höhe über der Straße. Somit hat man nicht das Gefühl, die Autos fahren um Einen herum, auch wird so die Unfallgefahr mit "einfahrenden Autos" stark verringert.