BESUCH IN SARAJEWO

Von 17. bis 21. Juli 1997 unternahm eine Abordnung von Wiener Straßenbahnfreunden eine Reise nach Sarajewo, um sich über den Stand der Dinge betreffend C1 zu informieren.

Wir hatten unseren Besuch zuvor "telefaxisch" abgesprochen und uns wurde weitestgehende Unterstützung seitens der Direktion der städtischen Straßenbahn zugesagt. Daher brachten wir als Gastgeschenk einige Dachsignalscheiben mit, die eigens passend zu den Sarajewoer Linien angefertigt wurden. Diese sind mittlerweile "verdunstet", sodass unsere Fotos gewissermaßen als historisch gelten können.

Als wir auf dem Weg vom Flughafen an der Remise vorbeikamen, waren wir zuerst einmal erschüttert, da wir die meisten C1 abgestellt vorfanden. Wie bei der am nächsten Tag folgenden Führung erklärt wurde, gab es einfach zuwenig Fahrer, außerdem wiesen einige Fahrzeuge leichte Defekte auf. Dies war ob des Schienenzustands nicht weiter verwunderlich. Die Gleisanlagen wurden klarerweise seit vor dem Krieg nicht mehr erneuert und die ehemalige Ostblockmentalität dürfte ja einigen Lesern vertraut sein. So wurden Schienen, nachdem sich die Spurkeile bereits bis auf zwei Zentimeter Restmaterial eingeprägt hatten, einfach umgedreht!

Dieser Gleiszustand führt zu starken Bewegungen der Wagenkästen, wodurch sich insbesondere immer wieder Verschraubungen der Druckluftleitungen lockern. Die komplizierten Antriebe (Federscheiben und Hohlwellen) machten hingegen wider Erwarten keine Probleme, allerdings in einigen Fällen die in Sarajewo durchgeführten Umbauten. Nun ein kurzer Blick auf die generelle Situation: Die Versorgung war wieder gut, wenngleich auch das Preisniveau sogar höher als in Österreich war. Nur Trinkwasser war noch rationiert. Die Beschädigungen in der Stadt halten sich - entgegen den von den Medien verbreiteten Bildern - in Grenzen. Zerstört wurden in erster Linie öffentliche Gebäude im weitesten Sinn, wobei aber Gotteshäuser verschont wurden. Wohngebäude dürften eher zufällig getroffen worden sein.

Fast jedes Schlagloch war allerdings ein Granateneinschlag, und die Aktivität der Scharfschützen war nicht nur an den Einschusslöchern in den Tatra-Wagen, sondern auch in den Geländern an den Haltestellen zu erkennen. Wenn aber neben einem Durchschuss bloß eine Delle ist, und man vermuten kann, dass diese Kugel wohl zuvor durch einen Menschen gegangen ist, findet man Krieg auf einmal nicht mehr lustig.

Zurück zum Thema: Am 18. 7. wurden wir vom Direktor begrüßt und durch die Remise und die Werkstätten geführt. Dabei erfuhren wir, dass nach Kriegsende von den 90 Tatra-K2 nur mehr zehn einsatzfähig gewesen waren. Das Wiener Geschenk war daher ebenso wie einzelne Tatra-Wagen aus ehemaligen Ostblockländern sehr willkommen und trug wesentlich zum Wiederaufbau des öffentlichen Verkehrs bei.

Ob des zarteren Aussehens der C1 und weil sie quasi ein Weihnachtsgeschenk waren, werden sie übrigens im Volksmund "Kinderüberraschung" genannt. Aus Wien kamen auch 22 LU samt Gastankstelle, aus Österreich unter anderem noch Bundesbusse. Auch weitere europäische Länder spendeten Busse. Die C1 sind allerdings das größte Geschenk.

Unsere verspätet angekommenen Dachsignalscheiben brachten wir ab dem 19. 7. sozusagen fliegend an den ausgelaufenen Zügen an. Spätestens danach konnten wir uns des Eindrucks kaum erwehren, Stadtgespräch geworden zu sein. Am 20., dem Sonntag, wurde uns die Garnitur 408+4008 (WVB 120+1808) für eine Sonderfahrt zur Verfügung gestellt. Dieser Zug sollte eine Werbeaufschrift bekommen (was inzwischen geschehen ist) und präsentierte sich in der schneeweißen Grundlackierung. Die Bilder sprechen für sich - gab es jemals einen schöneren C1?

Am 21. übergaben wir schließlich "offiziell" die Signalscheiben und bedankten uns nochmals herzlich für das freundliche Entgegenkommen.

Nun noch ein schematischer Linienplan. Die Linien 6 und 7 wurden nach dem Krieg nicht mehr bedient. Ob eine Wiederaufnahme zu Schulbeginn im September 1997 erfolgte, ist uns nicht bekannt und war wohl auch davon abhängig, wieviele K2 bis dahin wieder einsatzfähig waren.

Im Plan sind zusätzliche Fotostandorte in schräger Beschriftung angeführt.

Die Fotos selbst finden Sie wie gewohnt in unserem Fotoalbum!