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Meldung 42
von Michael Suda am 12. 7. 1999
Thema: Historische Frage Albertinaplatz
Hallo!
Ich habe eine Frage an die Kenner der Straßenbahngeschichte unter den Lesern des "Straßenbahnjournals":
Vor kurzem habe ich ein altes Foto, das den Albertinaplatz mit dem 1945 zerstörten "Philipp-Hof", an dessen Stelle heute das "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" von Hrdlicka steht, gesehen. Datieren würde ich das Bild den elektrischen Bogenlampen und dem Liniensignal des abgebildeten Tramwayzuges (vermutlich 58er oder 59er) nach zu schließen um 1910.
Der Zug kommt aus der Tegetthoffstraße. Bis hierher wäre ja noch nix besonderes an dem Bild. Vor dem Zug sieht man jedoch eine zweigleisige Abzweigung, die in die Maysedergasse in Richtung Kärntnerstraße führt. Laut Krobot-Slezak-Sternhart "Straßenbahn in Wien", gab es dort auch ein Gleis. Es war 124 Meter lang, wurde von der Neuen Wiener Tramwaygesellschaft am 20. 1. 1902 eröffnet - übrigens anscheinend als deren letzte Strecke - und zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt im selben Jahr auch schon wieder aufgelassen.

Meine Fragen wären:
1) Warum baute die NWT dort? Ihr gehörte zwar die Strecke von der Linken Wienzeile durch die Operngasse bis zum Ring, die Verlängerung über Operngasse, Albertinaplatz und Tegetthoffstraße zum Neuen Markt wurde aber bereits (Quelle wie oben) im Zuge der Elektrifizierung und Kommunalisierung der Tramway von der Bau- und Betriebsgesellschaft für Städtische Straßenbahnen erbaut und am 2. 2. 1902 eröffnet.
2) Welchen Zweck hatte das Gleis? War es nur eine Kuppelendstelle, oder war an einen Weiterbau (wohin?) gedacht?
3) Welche Linien(vorläufer) wendeten dort?
4) War das Gleis mit Ober- oder Unterleitung versehen? Auf dem Bild scheint ein Schlitzkanal sichtbar zu sein.
5) War dieses Gleis eventuell doch noch in späteren Jahren betriebsfähig? Aus dem erwähnten Bild kann man zwar nicht auf Betriebsbereitschaft schließen, allerdings auch nicht auf das Gegenteil.
Für Antworten schon jetzt ein Dankeschön!

gesendet von:
Michael Suda
A-1170 Wien, Österreich/Austria

Antwort der Redaktion - 12. 7. 1999
Vermutlich ist die Quelle (das Buch habe ich auch) nicht ganz korrekt. Einige Fehler sind mir schon an anderen Stellen aufgefallen - es ist ja auch nicht gerade einfach, historisches Material vollständig zu erhalten.

Ich vermute, dass die Strecke bereits von der NWT bis in die Maysedergasse errichtet (wann?) und von der BBG nur elektrifiziert wurde. Im Hinblick auf die kommende Vereinigung der Privatgesellschaften und wegen der Verlängerung bis zum Neuen Markt erachtete die BBG die Maysedergasse offenbar als unnötig, worauf die Elektrifizierung durch die NWT selbst erfolgte.

Laut Plan von 1913 war das Gleis noch in Betrieb. Es diente vermutlich nur mehr zum Abstellen von Reservewagen und verfügte höchstwahrscheinlich nur über Unterleitung, weil innerhalb des Ringes gelegen. Falls Foto und Plan korrekt sind, wurde das zweite Gleis offenbar inzwischen aufgelassen. Falls es immer nur ein Gleis war, könnte es der Anfang einer nie verwirklichten Schleife über die Kärntner Straße gewesen sein. Als im Jahr 1916 der Unterleitungsbetrieb generell eingestellt wurde, war dies auch das Aus für dieses Gleis.

Soweit - ich möchte es nochmals betonen - meine Vermutung.

G. S.

Leser-Antwort 1
von Harald Jahn am 13. 7. 1999
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Laut Plan von 1913 war das Gleis noch in Betrieb. Es diente vermutlich nur mehr zum Abstellen von Reservewagen und verfügte höchstwahrscheinlich nur über Unterleitung, weil innerhalb des Ringes gelegen. Falls Foto und Plan korrekt sind, wurde das zweite Gleis offenbar inzwischen aufgelassen. Falls es immer nur ein Gleis war, könnte es der Anfang einer nie verwirklichten Schleife über die Kärntner Straße gewesen sein. Als im Jahr 1916 der Unterleitungsbetrieb generell eingestellt wurde, war dies auch das Aus für dieses Gleis.
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In einem Katasterplan aus dem Rathaus, den ich leider nicht kopiert habe, ist deutlich und unzweifelhaft ein doppelter Gleisbogen (2 Weichen, 1 Kreuzung) eingezeichnet, sowie zwei parallele Gleise fast bis zur Kärntnerstraße, die beide dort enden. Ich bin mir leider nicht mehr sicher, glaube aber, daß auch eine Parallelweiche eingezeichnet war.

Harald A. Jahn, Viennaslide

Leser-Antwort 2
von Matthias Pölzler am 16. 7. 1999
Die NWT und die BBG haben 1901 ein Übereinkommen über die gemeinsame Nutzung der Strecken Friedrichstraße-Operngasse bis Ring (NWT) und Operngasse vom Ring bis Albertinaplatz (BBG) geschlossen. Als Ersatz für die Endstation in der Operngasse hat nun die NWT die Strecke in der Maysedergasse gebaut. Von dort sind die Pferdebahnwagen dann bis nach Meidling (spätere Linie 61) gefahren. (Quelle: Hans Sternhart, 100 Jahre Wiener Straßenbahn, erschienen in Eisenbahn 5/1966)

Matthias Pölzler